Höhenindexabweichung

Um die Höhenindexabweichung (auch einfach: Indexabweichung) zu verstehen, ist es sinnvoll, sich noch einmal das Messverfahren zur Vertikalwinkelmessung zu verdeutlichen. Der Vertikalteilkreis ist fest mit dem Fernrohr verbunden. Wenn du das Fernrohr zum oder gegen den Zenit bewegst, bewegt sich der Vertikalkreis mit. Die Ablesestelle ist fest im Instrument und bewegt sich nicht.

Vertikalwinkelmessung mit einem Tachymeter
Vertikalwinkelmessung mit einem Tachymeter
Vertikalwinkelmessung verschiedener Ziele mit unterschiedlicher Ausrichtung des Fernrohrs
Vertikalwinkelmessung verschiedener Ziele mit unterschiedlicher Ausrichtung des Fernrohrs

An alten Theodoliten gibt es eine Höhenindexlibelle, mit der die Ablesestelle horizontiert wird. Aktuelle Tachymeter gleichen mögliche Abweichungen der Ablesestelle mit einem sogenannten Kompensator aus. Der Kompensator arbeitet mit einem Pendel- oder Flüssigkeitsneigungsmesser. Er richtet sich nach der Schwerkraft aus (vgl. Witte/Sparla, 2015, S. 107).

Die Richtung zum Zenit ist mit 0 gon definiert. Sie ist die Nullrichtung an der sich alle anderen Richtungen orientieren. Eine Messung in der Horizontalen beträgt 100 gon bzw. in entgegengesetzter Lage 300 gon. Wenn in zwei Lagen gemessen wird, dann soll die Summe beider Lagenmessungen auf dasselbe Ziel 400 gon ergeben (z1 + z2 = 400 gon). Ist diese Bedingung nicht erfüllt, so liegt eine Höhenindexabweichung vor (vgl. Witte/Sparla, 2015, S. 128).

Die Höhenindexabweichung besteht aus zwei Komponenten, die nicht isoliert erfasst werden können. Diese werden hier im Folgenden ξ1 und ξ2 genannt. (In Feldbüchern steht die Höhenindexabweichung manchmal als ρ.)

ξ1 = „Die Projektion der Zielachse des Fernrohrs in die Ebene des Vertikalkreises ist gegenüber der Verbindungsgeraden der Teilstriche 100 gon und 300 gon verschwenkt.“

(Witte/Sparla, 2015, S. 128)

Anmerkung: Früher wurde der Vertikalwinkel in der Horizontalen abgelesen. Heute wird er meist elektronisch in der Vertikalen erfasst. Die Verbindungsgerade der Teilstriche 100 gon und 300 gon passt zur Ablesung in der Horizontalen. Die Bilder in diesem Artikel zeigen die modernere Variante und gehen daher von einer Verbindungsgeraden der Teilstriche 0-200 gon aus.

Die Zielachse verläuft durch die Strichkreuzmitte und den Brennpunkt des Linsensystems. Ihre Position wird auf den Teilkreis auf die Verbindungsgerade zwischen den Ablesestellen 0 gon und 200 gon projiziert (veraltet: 100 gon und 300 gon, s. Zitat). Die Projektion ist eine gedachte Transformation der Zielachse in den Teilkreis (s. Abb.).

Projektion der Zielachse auf den Zeilkreis
Projektion der Zielachse auf den Zeilkreis

Die Verbindung zwischen Fernrohr und Teilkreis kann nur mit einer gewissen Restabweichung realisiert werden. Die Zielachse soll auf der Verbindungsgeraden 0-200 gon (bzw. früher 100-300 gon) liegen/projiziert sein. Wenn diese beiden Linien jedoch um den Mittelpunkt des Teilkreises gegeneinander verdreht sind, liegt die erste Komponente der Höhenindexabweichung ξ1 vor. Einfach ausgedrückt: Der Teilkreis ist gegenüber der Zielachse verdreht (s. folgende Abb.).

ξ2 = „Die Verbindung der Ablesestelle mit dem Vertikalkreismittelpunkt weicht von der Horizontalen bzw. von der Vertikalen beim Kompensator ab.“

(Witte/Sparla, 2015, S. 128)

In der Vermessungstechnik wird immer seltener mit einer Höhenindexlibelle gearbeitet. Diese wird bei alten Theodolit-Modellen eingesetzt, um die Ablesestelle zu horizontieren. Der Zenitwinkel wird bei Nutzung einer Höhenindexlibelle in der Horizontalen abgelesen. Moderne Tachymeter arbeiten mit technisch weiterentwickelten Teilkreisabgriffen. Die Ablesestelle ist üblicherweise vertikal angebracht (mit Ausnahme des Inductosynverfahrens). Mögliche Abweichungen der Ablesestelle von der Zenitrichtung werden meist weitgehend durch einen Kompensator behoben. ξ2 beschreibt eine Verdrehung der Ablesestelle gegenüber dem Vertikalkreis bzw. eine Kompensatorrestabweichung (s. folgende Abb.).

Ist-Wert des Vertikalwinkels mit Höhenindexabweichung
Ist-Wert des Vertikalwinkels mit Höhenindexabweichung
Soll-Wert ohne Höhenindexabweichung
Soll-Wert ohne Höhenindexabweichung

Die gesamte Höhenindexabweichung ξ = ξ1 + ξ2 kann mit zwei verschiedenen Formeln berechnet werden. ξ1 und ξ2 können jedoch nicht isoliert berechnet werden, weil beide den gleichen Einfluss haben können. Für die Berechnung von ξ ist eine Messung in zwei Lagen notwendig. Die beiden Lagenmessungen z1 und z2 sollen zusammen 400 gon ergeben. Ist dies nicht der Fall, so liegt vermutlich eine Höhenindexabweichung vor.

Formeln

In der Literatur finden sich zwei Formeln zur Berechnung der Höhenindexabweichung. Beide können angewendet werden. Sie unterscheiden sich jedoch letztlich durch das Vorzeichen. Wichtig ist, dass bei einer Rechnung konsistent eine der beiden Formeln angewendet wird.

Warum sind beide richtig?
Die Höhenindexabweichung ist eine Additionskonstante, die in der Kalibrierung angebracht wird. Bei der 1. Formel addiert man am Ende die Höhenindexabweichung auf das Ergebnis und bei der 2. zieht man sie ab.

Formel 1

Dieser Fall wird von Deumlich und Staiger (2002) dargestellt (s. Abb.)

Bestimmung der Höhenindexabweichung, z1 + z2 < 400 gon ((C) Deumlich/Staiger, 2002, S.224)
Bestimmung der Höhenindexabweichung, z1 + z2 < 400 gon (© Deumlich/Staiger, 2002, S.224)

Lage I: z_{korr}=z1+\xi
Lage II: z_{korr}=400gon-z2-\xi

\Rightarrow \xi = \frac{400gon-(z1+z2)}{2}

Formel 2:

Dieser Fall wird von Kahmen (2006) dargestellt (s. Abb.)

Bestimmung der Höhenindexabweichung mit z1 + z2 > 400 gon (© Kahmen, 2006, S.118)
Bestimmung der Höhenindexabweichung mit z1 + z2 > 400 gon (© Kahmen, 2006, S.118)

Die Höhenindexabweichung wirkt hier in die entgegengesetzte Richtung zu Fall 1.

Lage I: z_{korr}=z1-\xi
Lage II: z_{korr}=400gon-z2+\xi

\Rightarrow \xi = \frac{z1+z2-400gon}{2}

Elimination der Höhenindexabweichung

  • Justieren: z_{korr} bestimmen, Strichkreuz und Höhenindexlibelle einstellen
  • Kalibrieren: ξ bestimmen und rechnerisch berücksichtigen
  • Messung in zwei Lagen

Typische Klausuraufgabe

JA/NEIN: Die Auswirkung der Höhenindexabweichung ist abhängig vom gemessenen Zenitwinkel.
— Nein. ξ wirkt als Nullpunktabweichung unabhängig vom Zenitwinkel.

Literaturempfehlungen:

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